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Weblog von Johannes Gelich - Abschied von Hamlesch PDF Drucken
Geschrieben von: Michael Weber   

Ich verlasse Hamlesch (rum.: Amnaş) ohne Michael und marschiere durch das Dorf, trinke noch einen Schluck Wasser vom Dorfbrunnen, von wo ich immer das frische Wasser geholt habe. Ich komme an kürzlich renovierten Häusern vorbei und erinnere mich an das Jahr 2000, als ich das erste mal nach Hamlesch kam. Damals sah es trister aus, irgendwie noch verlassener,

und man hatte den Eindruck, es könnte gut sein, dass dieses Dorf in naher Zukunft einmal völlig verlassen sein könnte - und solche vollkommen verlassenen Dörfer gibt es, wie man immer wieder hört, tatsächlich. In Hamlesch war dem aber nicht so. Mittlerweile sind auch manche Aussiedler aus Deutschland zurückgekehrt. In Sibiu gibt es sogar einen Verein, der sich um die Rückkehrer kümmert. Und es wird zum Teil äusserst intensiv renoviert, allerdings nicht immer zum besten der Häuser. Leute, die Geld haben, zeigen dies mittels greller türkiser, gelber oder rosa Fassaden, der grasbewachsene Graben zubetoniert, hässliche, eckige Metallltüren mit scharfen Zacken anstatt der großen, oben abgerundeten, einladenden Holztore, die so groß waren, um mit Heu beladenen Pferdefuhrwerken Einlass zu gewähren.
Nach dem Dorf führt der Weg hügelaufwärts durch einen kühlen Wald, ich gehe EAN DER HILL, oben an der Hügelkuppe angekommen bin ich OAF DER HILL, sächsischer Dialekt, Hamlescher Variante. Ich erinnere mich, wie mir Mick die Dialektnuancen beibrachte. Das Wort "Ja" etwa, im Hamlescher Dialekt mehr ein CHJA, in Grosspold ein CHJO und in Urwegen ein CHE. Leute, die früher in Siebenbürgen viel herumkamen, hörten aus jedem Dialekt das spezifische Dorf heraus, lexikalisch verstand man sich immer, nur aß man eben BRUIT in Hamlesch und BREJT in Zeiden.
Als ich mit meinem, von den zugesteckten Äpfeln und Michaels hausgemachtem Wein beschwerten Rucksack schnaufend oaf der Hill ankomme, kurvt ein weisser Mercedes nach oben, und ich mache mir keine Hoffnung, dass er mich mitnimmt. Mercedesfahrer? Sicher nicht. Der Mercedes bleibt aber stehen, drinnen sitzt ein junger Grünschnabel und lädt mich ein, einzusteigen. Der Junge, stellt sich heraus, ist 18 Jahre und war gerade ein halbes Jahr in Deutschland, wo er als Kellner in der Nähe von Kaiserslautern gearbeitet hat. Jetzt ist seine Arbeitserlaubnis abgelaufen, und er verbringt den Rest des Jahres in Hamlesch. Zuhause hat er sich offensichtlich gleich mit einem alten Mercedes eingedeckt. Der Junge spricht gut deutsch, er hat das deutsche Gymnasium in Großpold besucht, denn viele Rumänen schicken ihre Kinder jetzt lieber auf die deutschen Schulen, da sie erkennen, dass diese Schulen zum Teil besser und die deutsche Sprache hilfreich sein würden. Ich frage ihn, wie es ihm in Deutschland gefallen hat, und er antwortet, in Deutschland sei alles so sauber. Sehen Sie sich diese Straßen an, meint er resignierend, in Rumänien ist alles so schmutzig. Und die Mädchen in Deutschland. Er habe immer geglaubt, dass es nur in Rumänien schöne Mädchen gäbe. Ich frage ihn, wo er künftig leben wolle, und er meint, er habe sich noch nicht entschieden.
Der Bahnhof von Salişte wirkt wie ein aus der Zeit gefallener Bahnhof aus Zeiten der Monarchie, hier könnte man ohne viele Umbauarbeiten einen Ödön von Horvath-Stoff verfilmen. Feldblumen wachsen zwischen den Gleisen, die Farbe blättert von der Fassade, das Bahnwärterhäuschen wirkt seit Jahrzehnten unverändert. Nur der Mistkübel erinnert an einen Versuch, sich als moderner Staat der Europäischen Union zu präsentieren: Es gibt einen Einwurfschacht für Papier, einen für Plastik und einen für den Restmüll. Allein, es gibt für jeden einzelnen Schacht keinen eigenen Behälter, sondern im Inneren des Mistkübels vermischen sich die verschiedenen Müllsorten wieder ungeniert, was mich an den Ausspruch eines Wiener Bekannten erinnert, der einmal meinte: Die Welt wird nicht durch die Mülltrennung gerettet - sie geht eher unter dadurch.

 

 

Quelle: Weblog von Johannes Gelich